PAG: Der Protest wird breiter, die CSU nervös


Je nach Schätzung: Zwischen 4.000 und 7.000 Regensburgerinnen und Regensburger demonstrierten am Mittwoch gegen das Polizeiaufgabengesetz. Fotos: Herbert Baumgärtner
„Der Landtag wolle beschließen: Der Landtag stellt mit Befremden fest, dass sich demokratisch legitimierte Parteien wie SPD, Grüne und FDP mit Linksextremisten und anderen verfassungsfeindlichen Organisationen in einem Bündnis gegen das PAG-Neuordnungsgesetz zusammengeschlossen haben. Der Landtag fordert alle demokratischen Kräfte in diesem Bündnis auf, verfassungsfeindliche Organisationen auszuschließen oder andernfalls das umstrittene Bündnis zu verlassen.“

Der Extremismusvorwurf als letzter Strohhalm

Einen Tag, nachdem in Regensburg einen der größten Demonstrationen der letzten Jahre stattgefunden hat und an dem sich in ganz Bayern der Protest gegen das geplante „Polizeiaufgabengesetz“ (PAG) spürbar ausgeweitet hat, bringt am Donnerstag eine Gruppe von CSU-Abgeordneten, darunter auch der Regensburger Kreischef Franz Rieger, diesen „Dringlichkeitsantrag“ für eine Art Resolution in den Landtag ein.
Dass sich Organisationen wie die Linksjugend oder der „Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD“ (mit dem zusammen Rieger wenige Tage zuvor noch am „Gedenkweg für die Opfer des Faschismus“ teilgenommen hatte) sich an den Demonstrationen gegen das PAG beteiligen, scheint für die CSU ein letzter Strohhalm zu sein, um den breiter werdenden Protest zu diskreditieren, der Dringlichkeitsantrag ein deutlicher Beleg dafür, dass man trotz absoluter Mehrheit, mit der das Gesetz am 15. Mai verabschiedet werden soll, nicht völlig unbeeindruckt ist von dem Widerstand, der den Plänen zur Ausweitung der polizeilichen Befugnisse zur Abwehr von „drohender Gefahr“ entgegenschlägt. Stefan Christoph (Grüne) spricht am Mittwoch von einer „Orbanisierung des Freistaats“. Das Gesetz diene nur „einem populistischen Wahlkampf der CSU“.

„Wer an Orwell denkt, liegt nicht falsch.“

Innenminister Joachim Herrmann hatte sich kürzlich im Landtag gegen die Proteste gewandt und von einer „beispiellosen Desinformationskampagne“, um das Gesetzesvorhaben zu diskreditieren, ging dabei allerdings auf zahlreiche Bedenken und Einwände nicht ein. Der renommierte Strafrechtler Hartmut Wächtler hatte bereits Ende März anlässlich einer Expertenanhörung im Landtag eine zwölfseitige Stellungnahme verfasst. Unter anderem schreibt er zur Ausweitung der polizeilichen Kompetenzen:
„Die Zusammenschau dieser Befugnisse ergibt das Bild einer praktisch vollkommenen Kontrolle der Polizei über die Existenz der betroffenen BürgerInnen, ihre Privatsphäre, ihre Lebensweise und ihren Aufenthaltsort , ihre Kommunikation mit Freunden und Geschäftspartnern, die Personen, mit denen sie sich treffen und nicht zuletzt die Verfügungsmacht über ihr Vermögen. Wer hier an George Orwell denkt, liegt nicht falsch.“

„Ein sicheres Land wird dadurch nicht sicherer.“

Dass der Widerstand angesichts solcher Kritik breit ist, dafür ist die Demonstration am Mittwochabend in Regensburg eindrucksvoller Beleg: Die Polizei spricht von 4.000, die Veranstalter von 5.000 bis 7.000 Demonstranten, die sich an dem Protestzug vom Dachauplatz bis zum Gerichtsgebäude in der Augustenstraße beteiligt haben. Etwa zehn Mal so viele wie bei einer ersten Protestkundgebung Ende März. Dieses Gesetz schaffe nur eine scheinbare Sicherheit, sagt die SPD-Landtagsabgeordnete Margit Wild am Bismarckplatz. „Die CSU sagt uns bei jeder Gelegenheit, dass wir sein sicheres Land haben und dadurch wird es nicht sicherer.“
Natürlich finden sich darunter auch Transparente von Arbeiterbund & Co und natürlich werden, speziell am Dachauplatz, auch radikalere Reden gehalten, in denen davon die Rede ist, dass man „mit den Bullen nicht zusammenarbeiten“ wolle. Ab und an hört man auch vereinzelte „ACAB“-Sprechchöre und es gibt sektiererische Plakate, in denen zum „Sturz der Regierung“ aufgerufen wird. Doch darauf lässt sich diese Demonstration längst nicht reduzieren und das macht auch nicht die Mehrheit des Protests aus. Ohnehin sind die meisten Reden kaum zu verstehen, wenn man sich etwas abseits des Lautsprecherwagens befindet – doch Applaus und Sprechchören tut dies keinen Abbruch. Das gemeinsame Ziel ist einfach: Nein zum PAG.
Neben Anhängern von SPD, Grünen und FDP prägen Gewerkschafter, Falken und eben „ganz normale“, wenn auch vornehmlich jüngere Regensburgerinnen und Regensburger das Bild. Größere Grüppchen bilden auch Selbsthilfegruppen psychisch Kranker, die sich gegen das ebenfalls in Planung befindliche „Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz“ wenden. Es sieht eine Meldepflicht bei Entlassung aus der geschlossenen Psychiatrie vor.
Auch die schwammige Begründung zur Einweisung – „Gefährdung des Allgemeinwohls“ – schürt immer noch Ängste und Befürchtungen, die auf mehreren selbst geschriebenen Pappschildern zum Ausdruck gebracht wird. Eine zunächst noch vorgesehene „Unterbringungsdatei“, in der die Daten von allen auf Anordnung eines Gerichts in die Psychiatrie eingewiesenen Menschen gespeichert werden sollten, wurde zwischenzeitlich gestrichen. „Das zeigt, dass es etwas nützt zu protestieren“, sagt ein Demonstrationsteilnehmer am Mittwoch.
Erklärtes Ziel des Bündnisses „noPAG“, in dem sich bayernweit über 40 Parteien und Organisationen zusammengeschlossen haben, ist es, auch das PAG noch zu kippen. Eine Hoffnung, die einer der Redner, Matthias Jobst von der SPD, schon gar nicht mehr hegt. „Es ist der CSU scheißegal, dass da heute 5.000 Leute stehen. Die werden das Gesetz trotzdem durchdrücken. Unsere Aufgabe ist es, die nächsten zehn Jahre hier jedes Mal aufzustehen und zu zeigen, dass mit uns so ein faschistischer Staat nicht zu machen ist.“
Für den 10. Mai ist eine Großdemonstration in München geplant. Und notfalls werde man, das kündigen am Mittwoch Redner aller vertretenen Parteien an, vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das PAG klagen.
Quelle:  regensburg-digital

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