Der Maaßen-Deal – Theaterdonner, Instant-Empörung aus der Dose und am Ende gewinnen wieder einmal BILD und AfD
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Der Chef des Inlandsgeheimdienstes geht unter die Verschwörungstheoretiker
Wenn Leitartikler und Politiker herumgackern wie eine Horde aufgeschreckter Hühner, kündigt dies meist eine neue Folge in der allseits beliebten Berliner GroKo-Soap an. Diesmal geht es um die angekündigte Entlassung des obersten Verfassungsschützers Hans-Georg Maaßen, der sich lieber via BILD unter die Verschwörungstheoretiker mischte als seinen Dienstherren ordentlich zu informieren und der AfD offenbar näher steht als die meisten AfD-Politiker, aus der am Ende eine Beförderung wurde. Was war geschehen? Vor zwei Wochen – kurz nach den Ausschreitungen in Chemnitz – erklärte Maaßen in einem Interview mit der BILD am Sonntag seine Zweifel an der von Politik und Medien kolportierten Aussage, es sei in Chemnitz zu „Hetzjagden“ gekommen. Doch nicht dieser – berechtigte – Zweifel, sondern dessen Begründung brachte das Fass zum Überlaufen. Maaßen sprach nämlich einem Video, das in diesem Kontext von den Medien als Beleg genannte wurde, die Authentizität ab und warf gar in den Raum, es könne sich dabei um „eine gezielte Falschinformation handeln, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken“.
Relativ schnell stellte sich heraus, dass das Video sehr wohl authentisch und keine Falschinformation war und Maaßens Behörde das Video vor dessen Interview mit der BILD noch nicht einmal analysiert hatte. Der Chef des Inlandsgeheimdienstes hat also seine persönliche und zudem inhaltlich falsche Einschätzung zu einem hochbrisanten innenpolitischen Vorfall über ein Boulevardblatt abgegeben und dabei auch noch ins Horn der Rechtsaußen gestoßen, die sich nun auf ihn berufen konnten. Seine spätere Distanzierung von sich selbst konnte diese Verfehlung auch nicht mehr wettmachen. In Kombination mit Maaßens Vorgeschichte und seiner AfD-Nähe war der Mann schlicht nicht mehr zu halten und das wussten in Berlin alle Beteiligten.
Man hätte ihn auch ohne Beförderung versetzen können
Nun ist Maaßen als Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz aber ein Beamter und seine Verfehlungen disqualifizieren ihn zwar für die Leitung des Inlandsgeheimdienstes sind aber auch nicht schwer genug, um ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entlassen. Was läge also näher als eine Versetzung auf einen Posten, auf dem er weniger Schaden anrichten kann? Doch in Maaßens alter Besoldungsstufe B9 ist die Luft schon recht dünn. Eine Anschlussverwendung als Hausmeister im Kanzleramt scheidet da wohl aus. In Frage käme aber ein Posten als Abteilungsleiter in einem Ministerium im Range eines Ministerialdirektors. Es wäre doch gelacht, wenn Maaßens Freunde von der CSU in der Münchner Staatskanzlei im schönen Bayern keine Stelle für diesen „hervorragenden Mann“ (Zitat Seehofer) schaffen könnten. Und sogar in Horst Seehofers Superministerium wäre sicher ein solcher Posten verfügbar – und sei es als Leiter der Abteilung für den Schutz des bayerischen Liedguts in Seehofers Heimatministerium. Lösungen im Einklang mit dem Beamtenrecht hätte es viele gegeben. Doch wir befinden uns leider auch in der heißen Phase des bayerischen Wahlkampfs und da musste Seehofer anscheinend seinen beiden obersten Koalitionspartnerinnen zeigen, wer hier der Mann im Hause ist und den Hosenanzug an hat.
Der Grat zwischen einer guten und einer saudummen Lösung war in der Affäre Maaßen schmal und die Großkoalitionäre haben ihn mit Vorsatz verlassen. Zwar wurde Maaßen des Amtes enthoben, aber auch gleichzeitig auf einen Posten im Innenministerium befördert, der ganze zwei Besoldungsstufen oberhalb seinen alten Postens liegt – anstatt 11.577 Euro bekommt er nun 14.157 Euro Grundgehalt pro Monat. Und er darf sich künftig auch nicht sinnstiftend mit bayerischem Liedgut, sondern in leitender Funktion als Staatssekretär um die innere Sicherheit und die Cybersicherheit kümmern. Er wurde also für seine Fehlleistungen belohnt. Selbst Kabarettisten kämen wohl nicht auf die Idee, den Mann mit der chronischen Rechts-Sehschwäche ausgerechnet in dieses Amt nach oben zu befördern. Nun kocht die Empörung über. Denn damit konnte ja nun angeblich wirklich niemand rechnen.
Haltet den Dieb!
Zumindest die Spitzen der SPD waren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in diesen Kuhhandel eingeweiht. Schließlich hat SPD-Chefin Andrea Nahles dieser Personalentscheidung ja ausdrücklich zugstimmt und dürfte auch schon vorher in die Debatte eingeweiht worden sein. Das geht sogar so weit, dass die SPD für diesen Deal ihren eigenen Staatssekretär im Innenministerium mit ausdrücklicher Billigung der Parteichefin opferte. Und da es natürlich klar ist, dass derartige Mauscheleien an der Basis und beim Wähler nicht so gut ankommen, rufen nun sämtliche SPD-Granden empört „Haltet den Dieb!“. Der Seeheimer Carsten Schneider erklärtbeispielsweise die Beförderung flugs und faktenwidrig zu einer Frage der Entscheidungshoheit Seehofers. Kein Wort dazu, dass seine Parteichefin diese Entscheidung mitgetragen hat. Förmlich putzig mach sich da auch die gespielte Fassungslosigkeit des Nachwuchs-Parteifunktionärs Kevin Kühnert aus, der ebenfalls die Rolle der eigenen Partei ignoriert, lammfromm vorgibt, „erschüttert“ zu sein und ebenfalls alle Verantwortung auf Seehofer schiebt. Nun sieht er mal wieder seine „Schmerzgrenze erreicht“ und ruft seiner Parteispitze – zu der ja selbst gehört – zu, sich Gedanken darüber zu machen, aus der Koalition auszutreten. Die alte Leier also. Gedanken kosten nichts und solange man damit die Unzufriedenheit in eine andere Richtung kanalisieren kann, sind sie billig und wohlfeil.
Die SPD befindet sich in einer jämmerlichen Duldungsspirale. Sie schluckt jede Kröte, weil sie wegen ihrer schlechten Umfragewerte Angst vor Neuwahlen hat und verliert aufgrund dieser devoten Selbstaufgabe nue noch mehr Zustimmung und muss die nächsten Kröten schlucken. Wo ist das Ende dieser Duldungsspirale? Die Einstelligkeit? Die Fünf-Prozent-Hürde?
Dank der Dummheit der SPD kommt die Kanzlerin anscheinend mit einem blauen Auge aus der Affäre. Sie sagt wie üblich nichts, geht auf Tauchstation und schickt Seehofer und Nahles in den Ring in einen Kampf, in dem es nur einen Sieger geben kann – die AfD. Die nimmt nämlich eine ganz eigene Rolle in dem Schmierentheater ein, die ebenfalls nicht wirklich dankbar ist. Sie muss den beförderten Maaßen nun schließlich als Opfer darstellen, der tapfer die Wahrheit gegen Merkel und die links-grün-versifften Medien behauptet hat. Diese Opferrolle steht freilich im scharfen Kontrast zur Beförderung. Aber um solche Detailfragen muss sich die AfD eigentlich ohnehin nicht scheren, da sie indirekt ja auch so der Hauptprofiteur der zunehmenden Unzufriedenheit mit dem etablierten Politikgeschäft ist. Eigentlich müssten Gauland und Co. nur schweigen – mit tatkräftiger Unterstützung der Großkoalitionäre und der Medien werden sie ohnehin von Tag zu Tag stärker.
Die Regie im Hintergrund führt die BILD
Wenig diskutiert aber doch maßgeblich verstrickt in die Affäre Maaßen ist die BILD. Sie war es, der Maaßen seine persönlichen Verschwörungstheorien mitteilte. Sie war es, die sich wie ein Löwe für „den Mann, der uns vor Terror schützt“ stark gemacht hat. Sie ist es, die nun vor allem auf die SPD einprügelt. Schon im Vorfeld nannte die BILD die Kritik an Maaßen „Wahnsinn“ und drohte der SPD und Nahles unverhohlen. Gestern Abend setzt BILD-Chef Julian Reichelt der ganzen Absurdität die Krone auf, indem er den „piefigen und unpatriotischen Streit“ auf seine Art und Weise kommentierte – wie kann Maaßen, der uns vor den bösen Terroristen schützt, nun aufgrund eines Interviews zu einem „angeblich so gefährlichen Mann“ werden und man ihm gleichzeitig „die öffentliche Sicherheit im Innenministerium“ anvertrauen? Reichelt ist orientierungslos, dreht sich mehrfach im Kreis und trifft dennoch blind ins Schwarze. Das Perfide dabei – die BILD kritisiert damit genau den Kompromiss den sein eigenes Blatt noch am Morgen als gangbaren Ausweg aus der Krise präsentierte. Sollte die AfD eines Tages stärkste Partei im Lande werden, ist diese Situation nicht vom Himmel gefallen. Der AfD-Erfolg hat viele Mütter und Väter. BILD gehört dazu.
Quelle: NachDenkSeiten
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